Auf den Spuren des Tigers – Nepal Reisebericht 1

Frühmorgens machten wir uns zusammen mit Roman (www.silkroad20.com) und seinen Freunden Dani und Tom in Rishikesh im Nordwesten Indiens auf zur nepalesischen Grenze. Nach ausgiebigem Smalltalk mit dem neugierigen Beamten und üblicher Formalitäten durften wir aus Indien ausreisen. Das Grenzareal war ein kleines Dorf mit Bars, diversen Restaurants und kleinen Shops. Wir übersahen die Einwanderungsbehörde und fuhren direkt zum Zoll, wo die Beamten uns freundlich darauf hinwiesen, wir sollen zuerst ein Visa besorgen. So fuhren wir die 200m zurück und fanden ein unscheinbares Schild, welches auf ein Wohnhaus hinwies, das im Erdgeschoss ein «Openair Büro» eingerichtet hatte. Nach dem Bezahlen von 50 Dollar, wurden die Visa direkt vom freundlichen Beamten ausgestellt. Die Einführung unserer Autos nach Nepal ging rekordverdächtig schnell. Die Beamten wollten sich das Auto noch nicht einmal anschauen, das Logbuch für die Registrierung des Wagens mussten wir sogar selber ausfüllen und schon waren wir nach ungefähr einer halben Stunde in Nepal eingereist. Was für ein kurioser Grenzübertritt.

Als Erstes fiel uns auf, dass Nepal viel grüner ist, als wir erwartet haben. Wir fuhren durch Wälder mit riesigen Bäumen. In unserer Vorstellung bestand Nepal doch viel mehr aus grauem Gebirge mit schneebedeckten Bergen.

Nach einer Übernachtung auf dem Parkplatz eines Hotels fuhren wir zum Bardia Nationalpark in den Dschungel. Wir hörten von mehreren Reisenden, sie hätten dort eine Walking-Safari gemacht und dabei den bengalischen Tiger gesehen. Kurz vor dem Nationalpark trafen wir Krishna auf seinem Roller. Er erzählte, er besässe ein neues Bungalow Resort gleich neben dem Nationalpark. Wir könnten für 100 Rupies (ca. 1 Fr.-) auf seiner Wiese im Auto übernachten und dürften Toilette und Dusche benutzen. Jackpot für uns, wir fuhren ihm hinterher und sagten dem Deal zu. Krishnas Bungalows stehen direkt neben dem Eingang zum Nationalpark. Gleich am ersten Abend hörten wir zwei Tiger einander in hoher Lautstärke anfauchen. Krishna erzählte uns, dass er auf der anderen Strassenseite – ungefähr 50m von unserem Auto entfernt – auch schon Leoparden gesehen hätte. Uns wurde etwas mulmig.

Wir entschieden, mit Dani und Tom eine Walking-Safari zu machen. Roman hatte Fieber und hütete das Bett. Für die Safari trafen wir uns frühmorgens zum Frühstück und machten uns dann, nur mit einem Bambusstab bewaffnet, in den Nationalpark auf. Wir gingen je zu zweit mit einem Führer los. So hätten wir grössere Chancen den Tiger zu sehen, weil wir weniger Lärm machen würden. Gleich zu Beginn der Wanderung mussten wir einen ungefähr zehn Meter breiten Fluss zu Fuss durchqueren. Also zogen wir uns die Schuhe aus und liefen in den Fluss. Nach ein paar Metern zeigte Rishi, unser Guide, etwa 100m den Fluss hoch und sagte leise, da liege ein Krokodil am Flussufer. Das sei aber kein Problem, weil es die grosse Strömung hier nicht möge. Kurz darauf sahen wir wie das Krokodil ins Wasser glitt und wollten danach so schnell wie möglich auf die andere Seite des Flusses. Dort angekommen, erklärte uns Rishi die Verhaltensregeln bei verschiedenen Wildtieren. Falls ein Rhino oder ein wilder Elefant zu nah auftauche, sollten wir unsere Rucksäcke auf den Boden legen und im Zickzack davonrennen. Am besten würde man einen Baum hochklettern. Falls wir einen Tiger sähen, sollten wir stehenbleiben. Falls er uns attackiere sollten wir uns zu dritt mit den Bambusstöcken verteidigen. Wegrennen sei bei einem Tigerangriff keine Option. Wir hatten vorab in der Zeitung gelesen, dass in den letzten Monaten zwei Dorfbewohner Bardias von Tigern getötet worden seien. Nach der kurzen Einführung gingen wir weiter durch mannhohes Gras und dichten Wald. Wir konnten nur Rishi vor uns sehen und hofften, nicht von einem Tiger attackiert zu werden. Rishi zeigte uns mehrere frische Spuren von Tigern an Bäumen und auf dem Boden.

An einem Fluss warteten Dani und Tom mit ihrer Führerin schon auf uns. Jetzt hiess es still sein und warten. Die beiden Führer kletterten auf Bäume und hielten nach Tieren Ausschau. Wir sahen zwei seltene, riesige Schildkröten auf einer Sandbank, sonst ausser einigen Vögeln leider nichts. Wir gingen weiter und suchten diverse Aussichtspunkte am Fluss auf. Wir sahen mehrere Rhinos auf der gegenüberliegenden Flussseite. Der Tiger liess sich jedoch leider den ganzen Tag nicht blicken. Gegen fünf Uhr abends machten wir uns fix und fertig auf den Rückweg. Da es nachmittags geregnet hatte, wurden jetzt die Blutegel sehr aktiv. Jeder von uns hatte wohl dutzende dieser ekligen Viecher an sich. Sie saugten sich an den Beinen fest oder krochen dem Bambusstab hoch, um sich an den Händen festzusaugen. Deshalb waren wir, obwohl wir total müde waren, ziemlich schnell unterwegs und erreichten nach ungefähr zwei Stunden wieder den Fluss, den wir überqueren mussten. Nach dem Regen hatte der Fluss nun viel mehr Wasser als am Morgen. Nach einigem hin und her entschieden wir uns trotzdem, den Fluss zu Fuss zu überqueren und nicht das Kanu zu organisieren, da es schon dunkel wurde. Wir wateten durch Bauch hohes Wasser und hofften, die Krokodile vom Morgen würden die starke Strömung wirklich meiden. Müde fielen wir an diesem Abend ins Bett.

Roman, Dani und Tom verliessen uns etwas früher Richtung nach Pokhara, das im Landesinneren liegt. Wir entschieden, noch ein wenig bei Krishna im Dschungel zu entspannen. An unserem letzten Abend liehen wir die Fahrräder von Krishna aus und besuchten nochmals die kleine Sunset View Bar in Bardia. Später am Abend gesellte sich Krishna aufgeregt zu uns und erzählte, dass neben unserem Camp in einem Reisfeld ein wilder Elefant sein Unwesen treibe. Die Dorfbewohner seien dabei, ihn zu vertreiben. Wir sollten noch in der Bar bleiben um dann mit ihm zurückkehren. Kein Problem für uns, noch länger in der Bar zu verweilen. Auf dem Rückweg nahm Krishna zwei weitere Gäste auf seinem Roller mit. Wir fuhren mit den Fahrrädern voraus und er folgte uns. Der Elefant war mittlerweile wieder im Nationalpark verschwunden und wir kamen sicher im Camp an.

Bei Krishna lernten wir noch Armin, einen Schweizer, der mit seinem Fahrrad durch Indien und Nepal fuhr, kennen. Er recherchierte für seinen neuen Film über den Schweizer Kletterer Ueli Steck. Hierfür wollte er in einem abgelegenen Tal einen Schamanen treffen. Wir entschieden uns kurzfristig, nicht den direkten Weg nach Pokhara zu nehmen, sondern über die Berge zu fahren und Armin über den Streckenzustand zu informieren. Wir fuhren zwei lange Tage über wirklich schlechte Pisten durch Nepals grüne Berge und kamen kaum voran, um dann von einem Erdrutsch an der Weiterfahrt gehindert zu werden. Einheimische versicherten uns, dass die Strasse so schnell nicht geräumt würde. So blieb uns nichts anderes übrig, als umzukehren und die Hauptstrasse nach Pokhara zu nehmen. Halb so schlimm: Der Umweg war zwar anstrengend und unsere Reise nach Pokhara dauerte zwei Tage länger, aber die wunderschöne Landschaft und die netten Leute entschädigten uns für die Strapazen.