Verrücktes Pakistan

Pakistanis sind sehr gastfreundlich und extrem stolz auf ihr Land. Wir wurden unzählige Male zu Tee eingeladen und gefragt, wie uns das Land gefalle. Die Schweiz sei ja so schön, weshalb wir nach Pakistan kämen. Sie sind sehr neugierig, weshalb wir selten alleine sind. Während mehrerer Wochen wild campen im hohen Norden fanden wir keinen Platz, wo man uns keinen Besuch abstattete und Selfies mit uns machen wollte. Kaum stellten wir unser Auto hin, kamen sie neugierig. So kam es oft vor, dass sie sich neben uns auf den Boden sassen, uns teilweise Stunden lang anstarrten und beobachteten, ohne ein Wort mit uns zu wechseln, weil sie wohl kein Englisch sprachen. Wir verstehen wohl, dass sie nicht oft ausländische Touristen mit einem solchen Auto zu Gesicht bekommen und wir deshalb interessant sind, jedoch zerrte dies zu Weilen sehr an unseren Nerven, da wir uns wie Zootiere fühlten.

Wir nehmen die pakistanische Bevölkerung als überwiegend sehr religiös wahr. Trotzdem wird Anja direkt nach dem Grenzübertritt vom Iran darauf hingewiesen, kein Kopftuch mehr tragen zu müssen. Im Gegensatz zum Iran, wird Anja in Pakistan oft die Hand geschüttelt und in Gespräche integriert, was uns überraschte. Anja hatte – egal in welch’ entlegenen Gebieten und Dörfern wir waren – nie ein Kopftuch und immer T-Shirts an. Dies schien nie ein Problem zu sein. Viele Gebiete sind immer noch sehr konservativ. Teilweise sahen wir den ganzen Tag keine Frauen. Männer tragen oft die traditionelle Kleidung. In Städten oder an touristischen Orten sind Frauen auch in Shirts und ohne Kopftuch unterwegs und Männer tragen westliche Kleidung. Pakistan scheint wohl einen Spagat zwischen Tradition und Moderne zu machen.

Die Landschaft ist unglaublich faszinierend: endlose Wüsten in Belutschistan und einige der höchsten Berge der Welt in drei verschiedenen Gebirgszügen (Hindukusch, Himalaya und Karakorum). Wir sahen Nanga Parbat (8125 m), Masherbrum (7821 m), Rakaposhi (7788 m), waren auf dem Karakorum Highway, der höchstgelegenen Fernstrasse der Welt, unterwegs und standen vor dem weltweit höchstgelegen Grenzübergang auf 4700 m zwischen Pakistan und China. Wir fuhren in den Berg geschlagene Strassen auf denen Felsstürze drohten und die oft nicht viel breiter als unsere Rosie waren. Wir sahen grüne Täler und felsige Pässe. Zuweilen sah die Landschaft ähnlich wie in der Schweiz aus, nur befanden wir uns einige tausende Meter höher. Wir fuhren durch den Nationalpark Deosei, ein Hochplateau, das mit einer Höhe von ungefähr 4100 m zu den höchsten der Welt gehört und schliefen dort auf dieser Höhe. Auf dem Shandurpass besuchten wir auf einer Höhe von ungefähr 3700 m das welthöchste Polofestival. Das Polospiel sei in der Region erfunden worden, und wird auch heute noch in seiner ursprünglichen Form fast ohne Regeln gespielt. Einzig der Schafskopf wurde durch eine Holzkugel ersetzt. Auf dem Weg zum Dorf Hushe, wo Expeditionen zum K2 gestartet werden und von wo aus wir den Masherbrum sahen, mussten wir wackelige und knarrende Holzbrücken überqueren, die uns Sorgen bereiteten.

Viele Städte und Dörfer sind extrem dreckig und auch sonst fehlt vielen Pakistanis das Bewusstsein der Erhaltung ihrer wundervollen Natur und sie lassen es sich nicht nehmen, jeglichen Abfall aus dem fahrenden Auto zu werfen. Überall liegt Abfall und die hygienischen Standards sind sehr schlecht. Schon nach den ersten Tagen litten wir an Durchfall, weshalb wir die Vorsichtsmassnahmen verschärften. Wir nahmen kaum mehr Einladungen zu Tee an und assen nur noch selten in Restaurants. In der jüngeren Generation entsteht eine Diskussion über den Schutz der Umwelt, in gewissen Regionen wurden Plastiksäcke verboten und wir sahen viele Investitionen in den Bau von Schulen, Spitälern, Strassen und auch der Wasserversorgung. Wir sind voller Hoffnung auf ein sauberes, gesundes Pakistan.

Den Umgang der Pakistanis mit der wilden Tierwelt gefällt uns sehr. Überall wird der Schneeleopard geschützt und sie erzählen mit Stolz über die Leoparden, Bären und Steinböcke. Als wir einmal auf einem Pass unterwegs waren, fuhr vor uns ein Bus. Plötzlich hielt er an, die Leute sprangen aus dem Bus und rannten in unsere Richtung. Wir waren ein wenig verängstigt, bis wir erkannten, dass sie auf den Berg zeigten. Sie waren am Jubeln und Lachen. Wir stiegen aus und erkannten, dass sie einen Bären am Hügel sahen. Die Freude der Leute werden wir nie vergessen. Obwohl auch in Pakistan Bären – und auch die Schneeleoparden – Nutztiere reissen, werden sie – im Gegensatz zur Schweiz – geschützt und die Leute freuen sich, einen Bären zu entdecken.

Pakistanis sind berühmt für ihre prächtigen und farbig verzierten Lastwagen. Beladen tun sie ihre Fahrzeuge auch wie Weltmeister. So kommt es oft vor, dass auf den Pickups und den Lastwagen Passagiere sitzen oder auch einmal ein Tier angebunden ist. Wenn ein Personenwagen anhält, steigen nicht selten bis zu zehn Personen aus. Aber vor allem mit der Beladung von Waren geizen sie nicht.

Schliesslich bleibt auch noch der katastrophale Fahrstil der Pakistanis zu erwähnen. Im Iran dachten wir noch, schlimmer könne es nicht werden. Wir wurden eines Besseren belehrt. So erzählte man uns, die meisten Pakistanis kauften ihren Führerschein und dies erklärt wohl so Vieles. Sie bleiben abrupt mitten auf der Strasse stehen, sie fahren ohne zu signalisieren unerwartet los, biegen ab oder öffnen die Autotüren unverhofft. Sie schneiden die Kurven, auch wenn sie den Gegenverkehr nicht sehen, sie überholen auf unübersichtlichen Strecken, oder auch wenn ein anderes Fahrzeug entgegenkommt. Um unsere Starke Stossstange waren wir schon mehrmals froh. Der Blinker, wenn er denn funktioniert, wird mehrdeutig eingesetzt. Blinkt der Fahrer vor dir rechts (Linksverkehr in Pakistan!), will er dir vielleicht signalisieren, dass du überholen kannst, vielleicht will er selber überholen oder rechts abbiegen. Es kommt aber auch vor, dass er einfach nur vergessen hat, den Blinker auszuschalten. Auf den meisten Strassen ist die Geschwindigkeit einzig durch den Strassenzustand begrenzt.